Dichters Alltagsnotizen

8. April

Dann gibt es Tage, die dem Dichter zu viel sind. Die können ruhig wegbleiben, an der Schwelle umkehren, noch nicht einmal fragen, wie's geht, nur "Gott zum Gruße!" und ab.

Den Dichter allein lassen, unter seiner Decke, auf dem Zweisitzsofa, auf dem er sich ganz kurz machen muss. Licht dringt durch die Vorhangritzen. Der Dichter hasst das Hell, kann aber nicht aufstehen, um zu verdunkeln, weil er dafür aufstehen muss.

Es ist auch zu viel Zeit da. Zeit, die sich unverschämt in die Länge und Breite dehnt, die um ihn herumwabert, ein dicker Puddingnebel, aus dem nur hier und da eine Gedankenspitze herausragt.

Das Denken würde der Dichter sowieso gerne lassen an solchen Tagen. "Wage es nicht!" empören sich vorauseilend die seit dem frühen Morgen in der Warteschlange anstehenden Gedanken. Aber der Dichter ist mutig und gibt ihnen Tritte, viele kleine, und auch mal einen großen. Und auf den letzten tritt er absichtlich nochmal extra drauf. So, fertig! Der Dichter zieht die Füße an. Sein Kopf wippt haltlos auf seiner schlappen Nackenmuskulatur...

19. August

Der Dichter hat leider eine halbe Packung Supermarkteis essen müssen. Sein Magen hat ihn dazu gezwungen. Oder war es der Löffel? Oder seine Augen? Oder die Tatsache, dass er zuvor die andere Hälfte in sich hineingespeist hatte? Es ist nämlich so, erkennt und erkannte der Dichter: hat er erstmal mit einem Übel angefangen, ist er von sich selbst so enttäuscht, dass er aus lauter Frust darüber direkt weiterschandtaten muss. Ein Automatismus. An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz.

Kaum zu glauben allerdings, dass Katzen wirklich so dämlich sein sollen. Berichtet nicht das ganze Internet beständig von ihrer außerordentlichen Gewitzt- und Schlauheit? Tumpen Meerschweinchen oder Hunden, denen traute man das zu, aber Katzen? Und wirklich kann sich der Dichter nicht erinnern, dass sich der Kater seines Bruders schon einmal selbst hintenrein gebissen hätte. Andererseits kann es sein, dass der dazu auf Grund seiner Speckrollen ("unser Kater ist nicht fett, das sind Muskeln!") gar nicht fähig war. Da beißt sich die Katze also wieder in den Schwanz – eine andere, unterernährte, fremde.

24. April

Ich möchte eigentlich nicht mehr leben. Und kann es darüberhinaus auch den nächsten Monat kaum. Höchstens bei Haferflocken und trocken Brot, Kaffee ohne Sahne und billigen Teebeuteln von Penny – die besonders unschmackhaften, vierzig Stück in einem Karton ohne einzeln eingepackt.

Man hat mir mein Auto weggeschleppt. Böse Abschleppmänner haben es bereits heute Morgen auf ihren Abschleppwagen geladen und grinsend davongefahren. Sie haben sich die Hände gerieben und ins Fäustchen gelacht, und nachdem sie meinen Wagen zusammen mit den anderen, die allesamt auf einem Parkplatz standen, der bis gestern noch öffentlich war, hinter ihrer Abschleppunternehmensabsperrung abgeladen haben, den  Abschleppfirmenmitarbeiterbonustanz aufgeführt. Aus lauter Freude über die große Beute.

Denn diese hinterlistigen, räudigen Kreaturen erhalten eine Zusatzzahlung für jedes gefangene Autotier. Und davon kaufen sie dann ihren Kindern, die genauso garstig sind wie sie selbst, billiges, hässliches Plastikspielzeug, das nach chinesischer Massenherstellung riecht und sofort wieder kaputt geht, aber das stört sie  nicht die Bohne, denn am nächsten Tag gibt es ja direkt wieder Nachschub. Und so finanzieren am Ende wir Dichter eine ganze Spezies rücksichtsloser Unholde, die noch nicht einmal ahnt, dass man die Fäden von Teebeuteln aneinanderknüpfen kann und so eine Rolle Bindfaden ganz umsonst für den Notfall hat.

Das zumindest werde ich ihnen nicht verraten, wenn ich morgen meinen Wagen einlösen geh.

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Ich schreibe Ihre Erinnerungen auf oder helfe Ihnen bei schon begonnenen Entwürfen.

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